Diskussion

Wir freuen uns über Zu- und Widerspruch, Vorschläge und Kritik. Wenn Sie uns eine Stellungnahme senden wollen und/oder auch (teilweise) veröffentlichen wollen, dann schreiben Sie bitte an office@mehrheitswahl.at.

Wir danken für die große Zahl der Reaktionen auf die Präsentation unserer Initiative, die uns bisher bereits errreicht haben. Wir bemühen uns, eine repräsentative Auswahl hier zu veröffentlichen.

Willi Eder, 13.10.2008
Derzeit haben wir in Österreich ein Zwei-Kammer-Parlament bestehend aus Nationalrat (Verhältniswahl durch das Volk) und Bundesrat (Entsendung durch die Landtage). Mein Vorschlag sieht auch ein Zwei-Kammer-Parlament vor: Für die eine Kammer (Kammer A) sehe ich hier ein reines Mehrheitswahlrecht vor, entweder nach englischem oder nach französischem Vorbild - 1 Gewählte(r) pro Wahlkreis. Die andere Kammer (Kammer B) solle ebenfalls vom Volk gewählt werden, und zwar in reiner Verhältniswahl ohne Prozenthürden - hier hätten dann sämtliche politische Gruppen ihre Vertretung, sofern sie mindestens ein Mandat erreichen. Mandatsverteilung nach d’Hondt. Kammer A ist hier zuständig für die Verabschiedung von einfachen Gesetzen. Kammer B ist zuständig für Verfassungsgesetze. Zudem hat Kammer B auch ein Vetorecht hinsichtlich der Verabschiedung von Gesetzen, welche von der Kammer A beschlossen bzw. eingebracht wurden (ähnlich dem heutigen Bundesrat). Jedoch soll dieses Vetorecht nicht mit einfacher Mehrheit ausgeübt werden können, es bestünde die Gefahr der Blockade der einen Kammer A durch die Kammer B. Mir schwebt hier ein absolutes Veto mit 7/12 Mehrheit vor. Dieses Quorum liegt exakt in der Mitte zwischen 1/2 und 2/3. Ein 2/3 Mehrheitserfordernis für die Ausübung eines Vetorechts finde ich ein wenig zu hoch.
Wie die Kompetenzverteilung zwischen diesen beiden Kammern A und B genau aussehen kann, ist Teil eines Diskussionsprozesses. In meinem Entwurf kann auf den Bundesrat als Gesetzgebungsorgan verzichtet werden. Die Herausforderung besteht darin, dass der Bundesrat derzeit ein absolutes Vetorecht gegen Gesetze hat, welche die Rechte des Bundesrates selbst betreffen. So einfach kann man den Bundesrat nicht abschaffen. Auch kann ich mir vorstellen, dass der Nationalrat geteilt wird in diese zwei Kammern A und B als Unterkammern des Nationalrates. Dann bliebe die Funktion des Bundesrates vorerst unberührt.

Richard Hogl, 30.08.2008
Die Aufkündigung des sogenannten "Stillhalteabkommens" (Nicht-überstimmen-des-Koalitionspartners bis zur NR-Wahl) durch Werner Faymann am Montag, den 25.8.08 zeigt wiederum die Tücke unseres derzeitigen Systemes. Da stimmen Momentkoalitionen in einer heißen Phase des Wahlkampfes über Dinge ab, die völlig aus dem Konzept gerissen sind, Populismus pur darstellen, die Staatsfinanzen gefährden und im Falle der Studiengebühren keinerlei Alternativen für die Betroffenen (Universitäten, Qualität der Ausbildungsmöglichkeiten für die Studenten) aufzeigen. Parlamentarier (vor allem von den Oppositionsparteien) und Medienleute glauben immer, die Bevölkerung will einen lebendigen Parlamentarismus. IRRTUM !!! Die Bevölkerung will eine demokratisch legitimierte, stabile Regierung. Das Parlament soll diese ermöglichen und 4 bzw. 5 Jahre lang tragen. Der sogenannte "lebendige Parlamentarismus" ist reiner Selbstzweck zur Unterhaltung von Medien und Abgeordneten, und widert die Bevölkerung im Großen und Ganzen an (siehe Politikverdrossenheit "Ich geh´ nicht mehr wählen, kommt eh´ nichts g´scheites dabei heraus") Unser derzeitiges System, das jeder Partei und damit auch allen Splittergruppen im Verhältnis die selben Mandate zubilligt, ermöglicht de facto nur mehr Große Koalitionen und blockiert somit das ursächlich demokratische Prinzip von wechselnden Mehrheiten.

Ernst E.P. Hochsteger, 17.07.2008
Die derzeitige politische Situation in Österreich zeigt, dass eine Änderung des Wahlrechts ein Gebot der Stunde ist, wenn Österreich nicht unregierbar werden will. Besonders würde ich es begrüßen, wenn der Vorschlag der steirischen Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder in unsere Überlegungen eingebunden werden könnte. Denn dieser Vorschlag wird vor allem die Nichtwähler zum NACHDENKEN bringen und sie dann doch zur Wahlurne bringen. Ich freue mich schon auf die weitere Vorgangsweise im Kreise der Gleichgesinnten

Arnold Bito, 17.07.2008
Jedenfalls finde ich es in einer Demokratie vorrangig, klare Mehrheiten im Parlament zu ermöglichen, um die politische Handlungsfähigkeit und Reformierbarkeit eines Staates sicherzustellen. Denn die zugegeben wahrscheinlich oft tatsächliche Mehrheit der politischen Gegner erarbeitet ja nicht wirklich einen Konsens für alternatives politischen Handelns. Aber genau das ist ja der Sinn der Demokratie, politisches Handeln (neu) auszurichten. Demokratie darf nicht zu einer offiziellen Meinungsumfrage ohne die Konsequenz politischer Handlungsfähigkeit verkommen. Das fördert letztendlich den Ruf nach dem starken Mann! Ich befürworte daher ein moderates Mehrheitswahlrecht, das dem relativen Sieger einer Parlamentswahl, wenn er mindestens 1/3 der Stimmen erreicht hat, eine knappe absolute Mehrheit im Parlament sichert (50% der Mandatare + 2). Der Rest der Mandate sollte nach der relativen Wählerzustimmung für die anderen Parteien aufgeteilt werden. Und es sollten nur Parteien ins Parlament einziehen dürfen, die 5% der Wählerstimmen erreicht haben. Falls der Wahlsieger mehr als 40% der Stimmen erreicht hat, sollte er 55% der Mandatare im Parlament stellen dürfen, was ihm eine abgesicherte Alleinregierung ermöglichen würde. Jedenfalls hätte auch der Wahlsieger mit 50% + 2 Mandaten die Möglichkeit, das zu tun, würde aber im Sinne einer stabileren Mehrheit dazu neigen, einen kleinen Koalitionspartner mit in die Regierung zu holen. Das würde vermutlich begünstigen, dass kleinere Parteien nach wie vor gewählt werden und könnte dazu führen, dass kleinere Parteien politisches Gestalten anstreben und sich nicht ausschließlich in eine Oppositionsrolle begeben. Es ist sicher nicht zu befürchten, dass kleinere Parteien mit einem starken eigenen Profil (wie z.B. die Grünen) aus dem Parlament fliegen, da es inzwischen eine starke Stammwählerschaft gibt, welche ihre politischen Überzeugungen von diesen Parteien vertreten sieht.

Wilfried Schneider, 01.07.2008
Mehrheitswahlrecht bedeutet in einer rein parlamentarischen Demokratie, dass eine Minderheit (in England z.B. rund 35 % bei der Wahl, zu Ende der Periode weniger als 30 %) mit Mehrheit Entscheidungen treffen kann, die heute sehr oft nicht mehr umkehrbar sind (Beispiel: EU-Beitritt der Türkei). Auch in der gemäßigten Form des französischen Modells mit zwei Wahlgängen heißt dies, dass die Regierung nach dem Prinzip des geringsten Übels gewählt wird.
Die einzige Möglichkeit einem Mehrheitswahlrecht und dann nur einem nach dem französischem Modell zu zustimmen wäre für mich eine gleichzeitige Stärkung der direkten Demokratie nach Schweizer Muster. Parlamentarische Mehrheitsentscheidungen, die nicht dem Willen der Mehrheit entsprechen, könnten dann durch das Volk, wie in der Schweiz, korrigiert werden. Für mich ist die Schweiz das einzige demokratische Land der Welt.
Dazu kommt, dass ich lieber ein Parteiprogramm wähle, als irgendeinen farblosen Abgeordneten meines Wahlkreises, der angeblich nur seinem Gewissen verpflichtet ist. Sein Gewissen ist sicher nicht mein Gewissen. Schon Parteiprogramme werden nicht eingehalten. Warum soll dies bei Versprechungen eines Wahlkreisabgeordneten besser sein ? Ich sehe überhaupt keinen Vorteil bei der Direktwahl der Abgeordneten.
Ihre Unterstützungsliste zeigt nur, dass Ihre Proponenten im Gegensatz zur Mehrheit des Österreichischen Volkes stehen. Ein Mehrheitswahlrecht ohne Volksabstimmung einzuführen, also mit Hilfe der Mehrheit im Parlament, wäre wieder eine dieser diktatorischen Maßnahmen der parlamentarischen Mehrheit, für die sie vom Volk nicht bevollmächtigt wurde. Andererseits würde ich natürlich das Ergebnis einer Volksabstimmung respektieren, nicht aber eine parlamentarische Mehrheit in einer derart wichtigen Angelegenheit.

Karl Pöschl, 26.06.2008
Die Alternativen zu einer großen Koalition sind entweder eher unwahrscheinlich, oder nicht wirklich erstrebenswert. Ein Mehrheitswahlrecht hätte jedenfalls den Vorteil, dass die stimmenstärkste Partei alleine regieren könnte, ja unter Umständen auch müsste! Das würde aber auch bedeuten, dass es keinerlei Ausreden mehr gibt, warum die zuvor im Wahlkampf gemachten Versprechungen nicht auch umgesetzt werden. Und das wiederum würde eine einmalige Chance bieten, die Politik in Österreich letztendlich dahin zurück zu holen, wo sie auch längst wieder hingehören würde: Weg vom puren Populismus auf eine Ebene der Sachlichkeit und der (sicher oftmals auch unangenehmen) Tatsachen.

Alexander Herberstein, 01.06.2008
Allerdings bin ich der Meinung, dass das Mehrheitswahlrecht nur ein Anfang sein kann, denn für eine "lebendigere Demokratie und eine Zurückdrängung der Parteiwillkür" bedar es zweifellos mehr.
In der österr. Bevölkerung haben max. 2-3% eine Ahnung von den notwendigen ökonomischen Erfordernissen, der Rest ist zum Großteil ausschließlich daran interessiert, persönliche Vorteile zu erlangen. Diese Tendenz setzt sich weiter fort beim größten Teil der Abgeordneten und schließlich auch bei den Regierungsmitgliedern. Dazu kommt noch, dass es sich nicht um die besten Köpfe der Bevölkerung handelt und von diesen höchstens ein marginaler Teil auf Grund seiner Fähigkeiten ohne Parteiunterstützung zu einer Karriere fähig wäre.
Das Erschreckende dabei ist, dass diese Leute ohne jede echte Kontrolle herumfuhrwerken. Daher wäre, meiner Meinung nach, außerordentlich wichtig, dass eine Art "Regierungsrat" von 5-6 integeren, parteifernen Leuten (Ex-Gerichtspräsdidenten, Professoren etc.) installiert wird, der nicht nur jeweils zeitgerecht die wichtigsten Aufgaben den künftigen Regierungen vorgibt, sondern auch die Einhaltung von Verprechungen etc. mit empfindlichen Sanktionsmöglichkeiten ahnden kann. Die Erfüllung dieser Aufgaben kann dann nicht der Regierung (unsozial, kalt etc.) angelastet werden und eine Abwahl bei nächster Gelegenheit bewirken.
Ich weiß schon, dass das alles eine Illusion ist, aber man sollte zuindest darauf hinarbeiten.

Christian Burtscher, 11.05.2008
Wem die Demokratie am Herzen liegt, dem muss der Zustand unserer Parlamente, ob Landtage oder Nationalrat, Sorge bereiten. Es wird bisweilen darauf hingewiesen, dass wir in einer stabilen parlamentarischen Demokratie leben. Das mag stimmen oder auch nicht. Ich halte das Argument für trügerisch. Wir haben es mit einem rapide abnehmenden Interesse der Wähler/innen zu tun. Die Parlamente werden zunehmend geringgeschätzt.  Eine der Ursachen dafür ist das herrschende Listenwahlrecht, in welchem die Wähler/innen nichts, die Parteizentralen aber alles zu sagen haben. Eine Alternative, die für Landtage und Nationalrat Erfolg verspricht, bietet das Mehrheitswahlrecht.
Es gibt freilich zum Mehrheitswahlrecht noch vieles zu sagen, durchaus auch Kritisches. Auch sind Mischformen mit dem jetzigen Listenwahlrecht denkbar. Aber klar sollte sein, dass eine Änderung desd Wahlrechtes um der Demokratie und der Parlamente willen nötig ist. Die Debatte ist nun eröffnet und ich hoffe sehr, dass sie lebhaft weitergeführt wird.

Erich Visotschnig und Siegfried Schrotta, 02.05.2008
Wir möchten auf einen wesentlich brauchbareren Ansatz aufmerksam machen, bei dem die Mandatsverteilung im Parlament wie bisher ein Abbild des Wählerwillens bleibt und trotzdem keine Blockaden erlaubt:  Das „Systemische Konsensprinzip“ (SK-Prinzip) ist von Politikwissenschaftlern der Universität Graz anerkannt und im Steirischen Jahrbuch für Politik 2005 beschrieben. Es hat sich inzwischen als Entscheidungsprinzip in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft bewährt, wird von Mediatoren eingesetzt, von Unternehmensberatern angewandt und an Führungskräfte weitergegeben. Es hat zu Effizienzsteigerungen auf universitärem Boden beigetragen, eine im Entstehen begriffene politische Partei Deutschlands ist dabei, es in ihr Programm aufzunehmen, und schließlich wird es seit einiger Zeit sogar in einer österreichischen Schule gelehrt um den Kindern konfliktfreies Entscheiden auf ihren Lebensweg mitzugeben.Das SK-Prinzip ist einfach, verständlich und in seinen Auswirkungen sofort zu durchschauen (www.sk-prinzip.net). In jedem Fall ist es geeignet, die demokratische Willensbildung weitaus besser in Gesetze zu gießen als bisher. Es ermöglicht allen politischen Parteien einen konstruktiven Wettbewerb um gute Politik, die keine Blockaden kennt. Monatelange Koalitionsverhandlungen sind dann unrühmliche Vergangenheit. Die Systembedingungen des SK-Prinzips bewirken, dass Gesetzesinitiativen von jeder Partei, also auch von einer Minderheit, bei geeigneter Qualität erfolgreich, sein können. Damit wird den kleineren Parteien die Möglichkeit eingeräumt, konstruktiv und verantwortlich an den Beschlüssen mitzuwirken.Die Aufwertung der Demokratie durch das SK-Prinzip wäre ein zukunftsweisender Schritt, mit dem Österreich weltweit Vorbild sein könnte

Michael Neuhauser, 28.04.2008
Seit einiger Zeit wird wieder einmal ein Mehrheitswahlrecht für Österreich diskutiert. Eine durchaus überlegenswerte Angelegenheit, wir sollten die Diskussion aber nicht nur auf ein, z.B. Herr Klaus Poier, oder zwei Modelle reduzieren. Es gibt viele Möglichkeiten das heutige Verhältniswahlrecht zu modifizieren, bzw. zu verbessern, wobei ich nicht für ein reines Mehrheitswahlrecht nach anglikanischem Muster, schwärme. Das hieße wohl das Kind mit dem Bade ausschütten. Also, wenn man ein Mehrheitswahlrecht fordert, muss man schon genau dazusagen welche Form man sich vorstellt. Alle Überlegungen zu einem neuen, bzw. modifiziertem Wahlrecht sollte jedoch primär größerer Bürgernähe zur Politik dienen. Aber wenn wir schon über eine Wahlrechtsreform nachdenken, oder gar durchführen wollen, sollten wir meines Erachtens gleichzeitig auch mit manch anderen unschönen Polit-Usancen in unserer Republik aufräumen. Mein Credo lautet daher: Hygiene und Transparenz in die österreichische Demokratie.

Dr. Günther Hoppenberger, 26.04.2008
Die in unserer Spielart der Demokratie zur Auswahl stehenden Parteilisten und Programmpakete ermöglichen keine Differenzierung nach verschiedenen Ressorts. Da praktisch alle Parteien den Anspruch erheben, in "der Mitte" - was immer das auch sein mag - angesiedelt zu sein, verschwimmen nicht nur die Parteiprofile selbst, sondern es verstärkt sich der Eindruck beim Wähler, daß es ohnehin egal ist, welche Partei man wählt, bzw. welche Partei regiert. Und da kann man dann auch gleich nicht zur Wahl gehen. Eine Mehrheitsdemokratie besteht allerdings jetzt schon, wobei es durch die Resignation und die fatale demokratiepolitische Lethargie (freiwilliger Verzicht auf die Teilnahme an gesellschaftsgestaltenden Prozessen) der Wähler immer schwieriger wird, Mehrheiten zustande zu bringen. Nun ist es doch so, daß es in allen Parteien (nicht nur, aber doch) gute Köpfe gibt und auch durchaus gute Ideen für den einen oder anderen Bereich. Als Wähler hat man jedoch nicht die Möglichkeit, für den z.B. Sozialbereich eine andere Partei als für z.B. den Justizbereich zu wählen. Das macht zu schaffen - meiner Ansicht nach noch mehr, als der Mangel an einer - von Ihnen angestrebten - Einparteienregierung. Johannes Heinrichs hat da in seinem Buch "Revolution der Demokratie" (Maas; 2003, Berlin) einen recht ausgetüftelten und gut argumentierten Vorschlag zur Belebung demokratischer Prozesse vorgestellt. Ich empfehle eindringlich, seine Ideen in Ihren Überlegungen zu berücksichtigen.

Mag. Georg Witrisal, 25.04.2008
Problematisch an den als Poier- bzw. Hösele-Modell bezeichneten Varianten des Verhältniswahlrechts, die der jeweils relativ stärksten Partei eine (knappe oder annähernd) absolute Mandatsmehrheit zubilligen, ist der verzerrte Zählwert der einzelnen Stimmen - dieser kann, je nach Wahlergebnis und individueller Wahlentscheidung, beispielsweise zwischen 0.66 und 1.5 liegen, wodurch der Grundsatz der Gleichheit der Stimmen verletzt würde. Sinnvoller, auch in Hinsicht auf die direkte Verantwortlichkeit des Großteils der Mandatare gegenüber ihrem jeweiligen Wahlkreis (anstatt der andernfalls weiterhin relativ stark bestehenden Abhängigkeit von den nach den genannten Modellen noch immer die Liste erstellenden Parteien bzw. deren Parlamentsklubs) erschiene es mir daher, ein Mischsystem zu propagieren, das Rücksicht auf die in Österreich eingeübte Tradition des Verhältniswahlrechts nimmt. Um in einem Mischsystem dennoch die Vorteile des Mehrheitswahlrechts ausschöpfen zu können, könnten z.B. zwei Drittel der Abgeordneten zum NR nach dem klassischen („britischen“) Modell der reinen Mehrheitswahl bestellt werden und ein weiteres Drittel nach dem bestehenden Proporzwahlrecht. Durch die Vergabe einer Zweitstimme nach dem VHWR wäre es sogar denkbar, dass die kleinen Fraktionen relativ gestärkt würden (wenngleich sie nach absoluten Mandatszahlen schwächer würden) und weiterhin einen bereichernden Einfluss ausüben könnten, ohne deshalb die Bildung einer Regierungsmehrheit - jenseits einer großen Koalition - zu erschweren bzw. zu verunmöglichen. Auch wäre in einem solchen Mischsystem die Problematik des unterschiedlichen Zählwerts der Wählerstimmen leidlich entschärft: Jeder Wähler wird mit seiner Zweitstimme wie bisher gleich repräsentiert (vorausgesetzt, die gewählte Liste überspringt die 4%-Hürde); seine nach dem MHWR abgegebene Stimme wiederum hat entweder den Zählwert 1 (sein Kandidat wird gewählt) oder 0 (sein Kandidat wird nicht gewählt), d.h. dieser ist zwar binär, aber grundsätzlich (der theoretischen Wahlchance nach) gleich. In diesem Zusammenhang anzudenken wäre einerseits eine Stärkung der parlamentarischen Minderheitsrechte und andererseits die Einführung eines konstruktiven Misstrauensvotums nach deutschem Vorbild, um gegebenenfalls schwach abgesicherten Regierungen einen gewissen Vorteil im „freien Spiel der Kräfte“ einzuräumen.

Heinz Pieke, 25.04.2008
Was uns zur Zeit in Österreich als Regierung bzw. „Regieren“ geboten wird, ist wirklich nicht mehr zu ertragen. Das bezieht sich nicht nur auf Bundes-, sondern (mit ganz seltenen Ausnahmen) auch auf Länderebene. Ein Mehrheitswahlrecht - ich tendiere zum britischen Modell - ist wohl der einzige Weg aus der unerträglichen Misere unserer aktuellen Politik bzw. Politiker. Es ist ziemlich sinnlos wählen zu gehen, wenn nachher das Wahlergebnis bzw. versprochene Regierungsprogramm durch Verhandlungen „korrigiert“ wird. Jede Regierungsform, die auf einen Koalitionspartner angewiesen ist, zwingt zu Kompromissen, welche, wie unser aktuelles politische Geschehen zeigt, rasch zu Packeleien mutieren. Außerdem tritt der paradoxe Fall ein, dass eine Minderheit eine Mehrheit zu dominieren versucht. Was Österreich und seine Bürger brauchen, ist Kompetenz und Verantwortung der Politiker (sollte übrigens auch auf Manager ausgedehnt werden, siehe ÖBB.) Nachdem aber unsere Machthaber wohl kaum freiwillig einem Systemwechsel zustimmen werden, welcher ihre Pfründe in Gefahr bringt, würde es mich interessieren, ob wir Wähler die Möglichkeit haben, eine Änderung des Wahlrechtes durchzusetzen.