Demokratiebefund 2013 präsentiert
Neue Rekordwerte bei Politikverdrossenheit – Parlamentarische Enquetekommission soll bis Ende 2014 „Masterplan“ zur Demokratiereform ausarbeiten
Die rasche Einsetzung einer parlamentarischen Enquetekommission, die bis Ende 2014 einen entscheidungsreifen Masterplan für die Demokratiereform mit den drei Säulen Wahlrecht, direkte Demokratie und Parlamentarismus ausarbeiten soll, forderte der Sprecher der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform Univ.-Prof. Dr. Heinrich Neisser am Mittwoch,16. Oktober anlässlich der Präsentation des Demokratiebefundes 2013.
Rasche, durchdachte und entschiedene Aktivitäten sind insbesondere angesichts der Tatsache notwendig, dass die Politikverdrossenheit bedauerlicherweise neue Rekordwerte erreicht hat. Entsprechende Umfrage-Ergebnisse präsentierte Karin Cvrtila vom OGM-Institut bei der Pressekonferenz im Presseclub Concordia, an der neben Heinrich Neisser weitere Mitglieder der Initiative und der Politikwissenschaftler David Campbell teilnahmen.
Der Demokratiebefund 2013 ist der dritte der alljährlich von der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform vorgelegten Befunde und brachte folgende Hauptergebnisse:
- Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit gefühltem und tatsächlichem Stillstand, Reformstau und Blockadehaltungen hat leider neue Rekordwerte erreicht, Protest und Verdrossenheit sind gewachsen. Das zeigen zahlreiche Umfrageergebnisse – wie insbesondere der OGM-Exklusivumfrage, wonach 78 % der Politik weniger bzw. gar nicht vertrauen, das spiegelt insbesondere auch das Nationalratswahlergebnis wider – mit der niedrigsten Wahlbeteiligung und der geringsten Zustimmung zu den Regierungsparteien seit 1945.
- Die Reform des Wahlrechts in Richtung stärkere Personalisierung, wie sie auch von der Bevölkerung gewünscht wird (laut OGM 58 % für Direktwahl zu 33 % Parteilistenwahl), ist ausgeblieben. Die Veränderungen beim Vorzugsstimmensystem waren rein optischer Natur und blieben völlig wirkungslos.
- Der versprochene Ausbau der direkten Demokratie – auch ein breiter Bevölkerungswunsch (laut OGM 67 % bei wichtigen politischen Fragen) – erfolgte nicht, da Entscheidungsfindung und Begutachtungsverfahren viel zu spät einsetzten.
- Die von Bundeskanzler und Vizekanzler versprochene ORF-Reform erfolgte ebenfalls nicht.
- Die versprochene Lockerung des Amtsgeheimnisses und Stärkung der Transparenz bei Verwaltungsakten wurde ebenso aufgeschoben.
- Weder in der Bildungspolitik noch im Bereich der Verwaltungsreform konnten Blockade und Reformstau aufgelöste werden.
Die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform fordert daher vom neugewählten Nationalrat und von der neu zu bildenden Bundesregierung rasch folgende Initiativen zu ergreifen:
- Sofortige Einsetzung einer parlamentarischen Enquetekommission zum Thema „Demokratiereform“, die bis Ende 2014 ihre Arbeiten abschließt und entscheidungsreife Grundlagen zu folgenden drei Bereichen liefert:
- Wahlrecht – Wirksame Personalisierung, aber auch ernsthafte Befassung mit mehrheitsfördernden Elementen. Das Nationalratswahlergebnis 2013 hat erneut vor Augen geführt, dass das geltende Wahlrecht in beiden Bereichen äußerst unbefriedigend ist
- Direkte Demokratie
- Stärkung des Parlamentarismus – von der seit Jahren versprochenen Reform der Untersuchungsausschüsse (Minderheitenrecht) über die verstärkte Mitwirkung bei Europafragen bis zum Legislativdienst
- Verwirklichung eines 12-Punkte-Plans zur Realisierung der verfassungsrechtlich verbrieften Unabhängigkeit des ORF
- Beschlussfassung eines Informationspflichtgesetzes
- Konzertierte Dialog- und Informationsoffensive zu Europafragen mit stärkerer Rolle des Parlaments gerade im Blick auf die EU-Wahlen im Mai 2014 und die Wahlbeteiligung
- Funktionelle und nachhaltige Erneuerung des Parlamentsgebäudes, um als zentrales und repräsentatives Forum der österreichischen Demokratie auch im 21. Jahrhundert dienen zu können
- Fördernde Rahmenbedingungen zur Stärkung von Unabhängigkeit, Vielfalt und Qualität der Medien in Österreich, da diese systemrelevant für die Demokratie sind – Printmedien, private Radio-und TV-Anbieter, Internet
- Intensivierung der politischen Bildung, deren Bedeutung durch die neuen digitalen Möglichkeiten und die zu erwartende stärkere Nutzung der Elemente der direkten und partizipativen Demokratie noch höheren Stellenwert erlangt
- Umsetzung der jahrzehntelang versprochenen und verschleppten Staats-, Verwaltungs- und Föderalismusreform – Reformföderalismus – Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung (Bundesratsreform – Landtage, Landesregierungen)
- Integration der brieflichen und digitalen Möglichkeiten in das demokratische System, z.B.: Onlinesammelsysteme und Briefabstimmungsmöglichkeiten für Bürgeranfragen, Petitionen, Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksabstimmungen und bei der europäischen Bürgerinitiative, verantwortungsbewusster Umgang mit Web 2.0-Demokratie, wie u.a. liquid democracy und open government
Nachfolgend die Dokumente zum Download
Demokratiebefund-Gesamtunterlage
ORF-Anlage zum Befund
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