Demokratiebefund 2014 präsentiert
Nach 11 Monaten großer Enttäuschung über „Stillstand“ neue Hoffnungen und Erwartungen an neuformierte
Bundesregierung und Parlament
Nach 11 Monaten der großen Unzufriedenheit mit dem demokratiepolitischen Stillstand bis Ende August 2014 sind im September nach der Regierungsumbildung neue zarte Hoffnungen und Erwartungen auf die Auflösung des „Reformstaus“ in Österreich geweckt worden, die die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform (IMWD) mit ihren Vorschlägen unterstützen will. Dies geht aus dem Demokratiebefund 2014 hervor, den der Sprecher der Initiative Heinrich Neisser gemeinsam mit weiteren Proponenten sowie Karin Cvrtila vom OGM-Institut und David Campbell von der Sektion Political Leadership der ÖGPW (Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft) am Dienstag, 30. September im Wiener Presseclub Concordia präsentierte. Der heuer zum vierten Mal vorgelegte Demokratiebefund brachte für den Berichtszeitraum Oktober 2013 bis Ende September 2014 folgende Hauptergebnisse:
- Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit gefühltem und tatsächlichem Stillstand, Reformstau und Blockadehaltungen hat bis August 2014 leider neue Rekordwerte erreicht. In der alljährlich durchgeführten, im August abgeschlossenen Expertenbefragung der Initiative erhielt die Politik generell einen Zufriedenheitswert (nach dem Schulnotensystem) von 2,89, wobei die Gemeinde-Ebene mit 2,51 gefolgt von der Landesebene mit 2,99 am relativ besten abschnitt, während die Bundesebene mit 3,22 (2013 noch 2,86) sogar hinter die europäische Ebene 3,16 (2013: 3,19) zurückfiel.
- Im September 2014 kam es durch die Regierungsumbildung – wie auch die OGM-Exklusivumfrage für die IMWD zeigt – zu einer Trendumkehr, deren Nachhaltigkeit abgewartet werden muss und wesentlich von der Kraft und dem Willen der Parteien zur Auflösung des Reformstaus abhängt. Das Vertrauen in die Politik ist gegenüber dem Vorjahr von 23 % auf 28 % gewachsen, während das Misstrauen von 78 % auf immer noch sehr bedenkliche 70 % gesunken ist. 22 % sind optimistisch, dass die neuformierte Regierung den „Stillstand“ überwinden wird, 55 % glauben das nicht, 23 % sind noch abwartend.
- Die Reform des Wahlrechts in Richtung stärkere Personalisierung, wie sie auch von der Bevölkerung gewünscht wird (laut OGM 2013 58 % für Direktwahl zu 33 % Parteilistenwahl), ist ausgeblieben. Die Veränderungen beim Vorzugsstimmensystem waren rein optischer Natur und blieben bislang völlig wirkungslos.
- Der versprochene Ausbau der direkten Demokratie – auch ein breiter Bevölkerungswunsch (laut OGM 2013 67 % bei wichtigen politischen Fragen) – erfolgte noch immer nicht. Viele Erwartungen richten sich nun an die ab Spätherbst startende parlamentarische Enquetekommission.
- Der ORF befindet sich nach wie vor in der Geiselhaft von Regierungen und Parteien.
- Die versprochene Lockerung des Amtsgeheimnisses und Stärkung der Transparenz bei Verwaltungsakten wurde ebenso aufgeschoben. Die ersten Regierungsentwürfe sind nicht sehr vielversprechend.
- Weder in der Bildungspolitik noch im Bereich der Verwaltungsreform konnten Blockade und Reformstau aufgelöst werden.
Die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform verknüpft mit der Neuformierung der Bundesregierung und den ersten gesetzten parlamentarischen Schritten neue Hoffnungen und Erwartungen. In diesem Sinne fordert die IMWD vom Nationalrat und von der Bundesregierung, nachdem das erste Jahr der neuen Legislaturperiode nicht genutzt wurde, nunmehr entschieden folgende Initiativen zu ergreifen:
- Die Beratungen der parlamentarischen Enquetekommission sollen spätestens 2015 zu Beschlussfassungen im Parlament zum Ausbau der direkten Demokratie führen (siehe Demokratiebefund 2013)
- Verwirklichung eines 12-Punkte-Plans zur Realisierung der verfassungsrechtlich verbrieften Unabhängigkeit des ORF
- Beschlussfassung eines wirksamen Informationspflichtgesetzes mit Schaffung eines Informationsbeauftragten und niedrigschwelligem Zugang zum Recht auf Information und Transparenz
- Konzertierte Dialog- und Informationsoffensive zu Europafragen mit stärkerer Rolle des Parlaments – u.a. Rederecht für österreichische EU-Abgeordnete im österreichischen Parlament
- Generell Stärkung des Parlamentarismus (Legislativdienst etc.)
- Ernsthafte Initiativen für ein von den BürgerInnen gewünschtes Persönlichkeitswahlrecht
- Ausbau der innerparteilichen Demokratie mit Vorwahlen, Urabstimmungen, digitalen Diskussionsplattformen und damit Attraktivierung der Parteien als unverzichtbare Träger des demokratischen Prozesses
- Fördernde Rahmenbedingungen zur Stärkung von Unabhängigkeit, Vielfalt und Qualität der Medien in Österreich, da diese systemrelevant für die Demokratie sind – Printmedien, private Radio- und TV-Anbieter, Internet, wobei österreichischer „Content“ und österreichische Wertschöpfung im Vordergrund stehen sollten
- Intensivierung der politischen Bildung, deren Bedeutung durch die neuen digitalen Möglichkeiten und die zu erwartende stärkere Nutzung der Elemente der direkten und partizipativen Demokratie noch höheren Stellenwert erlangt
- Umsetzung der jahrzehntelang versprochenen und verschleppten Staats-, Verwaltungs- und Föderalismusreform – Reformföderalismus – Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung (Bundesratsreform – Landtage, Landesregierungen)
- Integration der brieflichen und digitalen Möglichkeiten in das demokratische System, z.B.: Onlinesammelsysteme und Briefabstimmungsmöglichkeiten für Bürgeranfragen, Petitionen, Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksabstimmungen und bei der europäischen Bürgerinitiative, verantwortungsbewusster Umgang mit Web 2.0-Demokratie, wie u.a. liquid democracy und open government
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Demokratiebefund-Gesamtunterlage
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